Eintrag vom 10.11.2016
Hier der Artikel aus dem Trostberger Tagblatt vom 01. Dezember 2016:
Trostberg. „Die EU-Gesetzgebung schreibt vor, dass Gurken nicht krumm sein dürfen; aber wie sie schmecken, ist egal“, Wolfgang P. Menge macht aus seiner Missbilligung kein Hehl. Er ist Präsident des deutschen Ablegers von Euro-Toques, der europäischen Union der Spitzenköche. Und an diesem Morgen hat er Glück: Er sitzt im warmen Ess- und Wohnzimmer von Julia Reimann und Stefan Schmutz, die auf dem Hof in Weiding 3 bei Trostberg eine ökologische Landwirtschaft betreiben und ihre Produkte unter dem Namen Chiemgaukorn vertreiben. Auf dem Tisch steht eine duftende Quiche aus Einkorn mit Bio-Herbstgemüse, kleine Emmer-Brownies und knusprige Cantuccini aus Einkorn. Der Grund für den kleinen Fest-Imbiss: Chiemgaukorn wird zum Partner von Euro-Toques Deutschland ernannt.
Dass Spitzenköchen nur Produkte mit gutem Geschmack in die Tüte kommen, davon geht man aus. Euro-Toques will aber mehr. Der Verein setzt sich für die Erhaltung der natürlichen Produktion von Lebensmitteln ein, und die Mitglieder verpflichten sich zur Herstellung von gesundem Essen, bevorzugt aus saisonalen und regionalen Produkten.
1986, zu einer Zeit, als Lebensmittel immer mehr mit chemisch hergestellten Konservierungs-, Farb- und Aromastoffen versetzt wurden, wollte der Drei-Sterne-Koch Baron Pierre Romeyer in Brüssel dem etwas entgegensetzen – auch weil es immer schwieriger wurde, kleine Produzenten mit guten Produkten zu finden. Er rief alle europäischen Spitzenköche zusammen und gründete mit ihnen eine nicht-kommerzielle Organisation – „Euro-Toques International“ – mit einem umfangreichen Ehrenkodex. „Toques“ steht für das Standeszeichen der Köche – den hohen Kochhut. Unterstützt wurde der neue Verein vom damaligen EU-Präsidenten Jacques Delors. In Deutschland gründete Eckart Witzigmann 1986 „Euro-Toques Deutschland“, Mitglied der ersten Stunde war auch Heinz Winkler aus Aschau. Mittlerweile engagieren sich europaweit über 3000 Spitzenköche für die Ziele von Euro-Toques.
Einer, der die Ziele aus eigener Überzeugung verfolgte, bevor er zu Euro-Toques kam, ist der Bio-Spitzenkoch Konrad Geiger aus Bad Aibling. Seine Erfahrungen als Koch – unter anderem auf einem Kreuzfahrtschiff – prägten ihn: „Ich fand den Umgang mit Lebensmitteln schrecklich.“ Das Non-Plus-Ultra gehobener Küche in den 1990er Jahren beschreibt er so: ein Stück Rinderfilet mit einer Scheibe Gänsestopfleber und Spänen von weißem Trüffel oben drauf. Bestellt wurden die Nobel-Zutaten bei einem großen Lebensmittellieferanten in Paris. „Wo bleibt da die Kochkunst?“, fragte er sich.
Mit dem Status quo wollte sich der gebürtige Amerikaner nicht zufrieden geben. „Ende der 90er Jahre hatte ich die ersten Begegnungen mit Bio-Bauern“, erzählt er lachend. „Das waren teils schräge Typen.“ Aber als er die Höfe besuchte, wurde ihm klar: „Es gibt auch auf dem Feld jemanden, der gesunde, hochwertige Lebensmittel mit Leidenschaft und Verantwortung produziert.“ Und so entschloss er sich, nur noch 100 Prozent bio zu kochen. Mit der Firma Bio-Kontor 7 verwirklichte er seine Vision: Nachhaltige, vitale Ernährung, 100 Prozent biologisch – effizient und praktikabel für alle.
Ein Produkt, das diese Kriterien perfekt erfüllt, ist der „Bayerische Reis“ von Chiemgaukorn. Dabei handelt es sich um Perl-Getreide wie Dinkel, Emmer, Chiemut oder Einkorn, das speziell poliert wird. Somit kann das Korn das Kochwasser besser aufnehmen, das langwierige Einweichen entfällt, und man kann das Getreide wie Reis zubereiten – als Beilage, Risotto, Füllung von Zucchini oder Tomaten, Pfannengericht, Salat oder als Basis für Bratlinge. „Bei Emmer fragen sich die Leute, was sie damit machen sollen. Reis hingegen kennt jeder“, weiß Julia Reimann, die mit ihrem Partner Stefan Schmutz die vielen Möglichkeiten von biologischer Getreideküche auslotet und den Namen „Bayerischer Reis“ bewusst gewählt hat. „Die Hemmschwelle, Bayerischen Reis zuzubereiten, ist niedriger als bei einem Urgetreide-Mix.“
Vor drei Jahren hat Konrad Geiger die Bio-Erzeuger aus Weiding, die nach den Richtlinien des Bio-Anbauverbands Naturland arbeiten, kennen gelernt. Denn viel Bio-Getreide, das hierzulande verkauft wird, stammt aus dem Ausland – beispielsweise aus der Ukraine. Der Bayerische Reis von Chiemgaukorn inspirierte ihn zu interessanten Risotto-Gerichten und Currys. „Regionales Getreide wird beispielsweise mit geröstetem Sesam und frischem Koriander zu einem ganz besonderen Thai-Curry.“ Mittlerweile bezieht Geiger sämtliches Getreide und Mehl über Chiemgaukorn. Auch andere Euro-Toques-Mitglieder lassen sich von den Trostbergern beliefern. Und so war es nur konsequent, dass der Euro-Toques-Landesbeauftragte für Südbayern die Weidinger Bio-Erzeuger als Partner für die Union der Spitzenköche vorschlug.
Weil die gesunde, regionale, nachhaltige Küche nicht nur einem erlesenen Kreis, den Gästen von Spitzenköchen, vorenthalten sein soll, berät Konrad Geiger auch Küchenchefs von Großküchen oder Caterer für Schülermensas. „Immer mehr große Unternehmen wollen, dass ihre Mitarbeiter im Betriebsrestaurant etwas Vitales zu essen bekommen“, weiß der Berater.
Und auch Julia Reimann und Stefan Schmutz arbeiten daran, Hemmschwellen abzubauen. Sie bieten mittlerweile verbraucherfreundlich verpackte Mischungen für „Knuspertaler“, Risottos, Currys und Nudeln in vielen Varianten an. Außerdem Mehlmischungen, beispielsweise für Urkorn-Brot, Einkorn-Semmeln, Zitronen-Kuchen oder Emmer-Brownies. „Wenn die Menschen die Scheu vor vollwertigen Urgetreidearten verlieren, haben wir ein großes Ziel erreicht“, sagt die Agraringenieurin. Denn der Anbau von alten, oft in Vergessenheit geratenen Kulturpflanzen sei nicht nur für eine gesunde, mineralstoffreiche Ernährung von großer Bedeutung, sondern auch für die Artenvielfalt auf dem Feld, die Fruchtfolge und damit für die Böden, das Wasser und das Klima.
Und so haben Euro-Toques und Chiemgaukorn auch die Mission gemeinsam, die im Ehrenkodex als Artikel 9, 10 und 11 so formuliert ist: „Euro-Toques-Chefs setzen sich für eine Vielzahl von Aromen und Zutaten ein. Sie zeigen dem Verbraucher gesunde Lebensmittel und tragen zu einer ausgewogenen Ernährung bei. Die verwendeten Produkte entsprechen der Jahreszeit, um den Naturzyklus zu achten und den echten Geschmack sicherzustellen. Der Schutz, die Information und die Schulung der Verbraucher sind Teil des Auftrags von Euro-Toques.“
Lucia Frei
Redakteurin
Oberland-Presse-GmbH
Trostberger Tagblatt, Traunreuter Anzeiger, Südostbayerische Rundschau, Altbayerische Heimatpost